«Les jours des éphémères»

Festival für ephemere Kunst, 5. Ausgabe, Künstlerhaus s11 Solothurn

Freitag 28. April - Sonntag 30. April 2017

Beteiligte Kunstschaffende: Glynis Ackermann, Antonius & Jozwiak, Giacomoni & Möll, Philipp Hänger, Karin Heinrich, Petra Keinhorst, Franzisca Lauber, Nina Rieben, Maeva Rosset, Sandra Schindler, Claudia Vogel.

 

Pressemappe

 

 


Glynis Ackermann

Edge

Performance im Stadtraum & im Künstlerhaus

Im roten Kleid geht die Künstlerin zu der Kante einer schwarzen Plattform und steht einige Minuten da – bevor sie einen entschiedenen Schritt nach unten zum Boden hin macht. Ihr Tun fokussiert sich auf die Energie am „Rand“ (ein Abgrund ... Neuer Weg ... Augenblick der Entscheidung ... usw.) Dieses Ritual wird an verschiedenen Orten (öffentlicher Raum Innenbereiche) aufgeführt. Die Übergänge werden durch Tragen der Requisiten Ort-verbindend performativ gestaltet. Am Drehpunkt: Die Unmittelbarkeit des entscheidenden Momentes und das Vergängliche.


Claudia Antonius und Jörg Jozwiak

Solo-Novela

Performance 

Telenovelas sind auf einem großen Handlungsbogen angelegt. Die Nebenfiguren verknüpfen sich auf die eine oder andere Art stets mit einer der Hauptfiguren – somit auch die Neben- mit der Haupthandlung. Dies ermöglicht den sogenannten Multiplot, das heißt, mehrere Handlungsstränge können parallel erzählt werden. Die Hauptakteure bleiben hierbei leicht im Vordergrund. Da die einzelnen Figuren so manches Geheimnis nicht kennen, gibt es genügend Raum für Spannung, Dramatik, Tränen und glückliche Momente. (Wikipedia: Telenovela)

Ursula und Viktor sind die Hauptfiguren der Solo-Novela. Sie sind ein gut situiertes Paar in mittleren Jahren. Ursula arbeitet als Lehrerin für Geschichte und Musik, Viktor ist Unternehmer. Vor einigen Jahren hat er sich mit einer Werbeagentur selbständig gemacht. Ihr Leben verläuft ruhig, bis eines Tages Josefa, die totgeglaubte Halbschwester von Ursula auftaucht und kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Josefa ist Cellistin. In Ursula beginnt sich der lang unterdrückte Wunsch nach dem Geigenspiel wieder zu regen. Sie hatte sich für den sicheren Weg des Lehramtes entschieden – aber eigentlich war es ihr Traum, Geigerin zu werden. Viktor empfindet plötzlich seine Ehe mit Ursula als leblos und eingeschlafen. Er verliebt sich in Josefa, realisiert, dass er diese Leidenschaft nicht ausleben kann und beginnt in gefühlsmäßiger Verwirrung ein Verhältnis mit Amelie, seiner jungen Mitarbeiterin, die ihn liebt. Beat Bürkle, der musikalische Leiter des Aare Quartets, versucht Josefa zu überreden, bei ihnen einzusteigen. Sie aber träumt von einer Karriere in einem ganz großen Orchester...

Aber – stimmt das so? Vielleicht ist die Geschichte eine ganz andere!

All das gilt es, mit den Solothurnerinnen und Solothurnern gemeinsam herauszufinden!

Ablauf: Unsere Arbeit wird am Sonntag, dem 30. April von 11 bis 17 Uhr auf dem Kreuzackerplatz stattfinden Die Namen Ursula und Viktor schreiben wir mit Kreide auf den Boden in die Mitte des Platzes. Von ihnen aus entwickelt sich die Geschichte. In alle Richtungen fügen wir im Format einer Mindmap neue Teile der Novela dazu: Welche Personen spielen noch mit, was ist ihre Rolle, an welchen Orten finden die einzelnen Handlungsstränge statt, wer arbeitet was, usw.. Das Ziel unserer Arbeit ist, mit Solothurnerinnen und Solothurnern ins Gespräch zu kommen, die Phantasie anzuregen und eine wilde Geschichte zu entwickeln. Dabei lernen nicht nur wir Solothurn und seine Menschen kennen – vielleicht erlaubt die Solo-Novela auch den SolothurnerInnen einen

frischen Blick aus einem ungewohnten Winkel auf ihre Stadt. Am Abend soll der Platz mit Kreideworten so dicht übersät sein, dass sich – wie bei einer Telenovela – niemand mehr so richtig auskennt, aber alle jederzeit „einsteigen“ können!

Die Solo-Novela wird fotografiert, aber nicht aufgezeichnet. Die Schritte der FußgängerInnen und Regen verwischen sie immer mehr, bis sie verschwunden ist und nur mehr in der Erinnerung besteht.


Marco Giacomoni & Martin Möll

...als wäre der Tag zur Nacht geworden...

Installation

Der Kern aller fotografischen Verfahren ist, ein festgehaltenes Bild zu fixieren und es dadurch für den Urheber selbst und für andere zur wiederholten Betrachtung zu bewahren. Mit unserer Arbeit wollen wir dieses Dauerhafte der Fotografie unterwandern: in Anlehnung an das kameralose Verfahren des Fotogramms, soll ein Bild einer beinahe malerisch wirkenden Landschaft erzeugt werden, dass nur während der Dauer von ein paar Stunden sichtbar sein wird.

In einem abgedunkelten Raum wird bei Rotlicht eine lichtempfindliche Fotoemulsion auf eine weisse Wand appliziert. Auf diese Schicht werden Objekte aufgepinnt. Diese Objekte – Zweige, Blätter und anderes organisches Material – haben im Einzelnen keine Bedeutung. In ihrer Summe aber stehen sie in Beziehung zueinander und ergeben ein ganzes Bild. Mit Hilfe einer Lichtquelle wird die Wand belichtet. Die auf der Wand applizierte Fotoemulsion reagiert auf die Belichtung mit einer farblichen Veränderung: die nicht durch Objekte abgedeckten Partien dunkeln in Blau-, Rosa- und Orangetönen ab. Nach Entfernen der aufgepinnten Objekte zeichnet sich die Summe ihrer Gegenständlichkeit als Fotogramm weiss auf der Wand ab. Dieses Fotogramm ist das Bild einer Landschaft, die Erinnerungen und Sehnsüchte, Erlebtes und Erträumtes evoziert. Durch das Einschalten eines diffusen Raumlichts verändert sich das Fotogramm. Die Kontraste verebben zusehends und die Farbtöne gleichen sich langsam an, bis die Wand am Prozessende einen graubläulichen Ton aufweist. Das Bild der Landschaft hat sich verwandelt bis es gänzlich verschwunden ist, gerade so, als wäre der Tag zur Nacht geworden. Zunehmendes Licht bedeutet hier Sonnenuntergang, und ist demnach gleichzusetzen mit dem Verschwinden aller Konturen. Fixiert ist nur die Erinnerung im Kopf einiger Betrachter und Betrachterinnen an ein flüchtiges, sich konstant veränderndes Landschaftsbild.


Philipp Hänger

Räumlicher Komplex

Philipp Hänger de- und rekontextualisiert Dinge. Er formt sie um, zweckentfremdet sie und macht sie zum Spielball seiner Experimente. Nichts ist vor einer Intervention sicher. Oft finden sich die Dinge danach in einer dualistischen Situation wieder: Was innen war, ist nun aussen, oben was unten, nun Kunst was Alltagsding oderFundgegenstand war, meist in einer Position zwischen den Gegensätzen verharrend. Der Schwebezustand wird auf der medialen und/oder auf der Produktionsebene erzeugt. Hier zeigt sich auch Philipp Hängers spezifischer Umgang mit Materialien, die immer präzise für die jeweilige Zustandsebene gewählt sind und sich oft in längeren Prozessen entfalten, den Wechsel der Medie beherrscht er hin- und zurück. Und geht ihn wenn nötig mehrfach. Dies ist zentraler Teil seiner Arbeit: Im Prozessualen zeigt sich eine Weltsicht, denn die Dinge verändern sich stetig, was einerseits eine institutionelle Auseinandersetzung wie auch eine kulturelle Kritik beinhaltet. Die narrativen Stränge, die Philipp Hänger aufgreift, finden in Skulpturen oder Fotografien einen Zustand als eigentliches Werk, doch selten ist dies als abschliessende Geste zu betrachten. Die Dinge werden neu verknüpft und weiter gedacht, so kommt der Schwebezustand nie zur Ruhe. Das Zyklische offenbart erst das Wesen der

Dinge. Philipp Hänger integriert in seine Arbeit so die natürliche Bedingung des Denkens und Sehens, welche niemals statisch und immer vom Prozess geleitet sind.


Karin Heinrich

Installation 

Ein Objektpaar verändert sich innerhalb einiger Stunden. Farbabstufung und Dauer der einzelnen Phasen können varieren.

Gips, gefrorene Tinte und Wasser 

Ein Zeitraffervideo steht zur Ansicht bereit unter folgendem Link: https://vimeo.com/206138815 Kennwort: Paar 2017 


Petra Keinhorst

Anthropocene

Skulpturen aus Wachs

Die Künstlerin stellt eine Idee vor, die sie bereits in einer Installation mit dem Titel „Anthropocene“ im letzten Jahr entwickelt hat und an der unter Anderem mehrere, wie im Wind verwehte, Plastiktüten-ähnliche Tüten aus Wachs zu sehen waren. Die Künstlerin arbeitet im 3dimensionellen Bereich mit immer demselben Hartparaffin das dem Guss einer frühen Projektskulptur entstammt. Seither sind daraus über Guss und Wiedereinschmelzung, sowie damit verbundener, wundersamer Vermehrung der ursprünglichen Menge (1T), viele andere Skulpturen und Projekte entstanden.

Im Künstlerhaus zeigt sie grössere Wachstüten, formal als ob sie im Wind wehen würden. Sie werden aus den eingeschmolzenen Bruchstücken früherer Arbeiten gegossen und selbst wieder als Bruchstücke in spätere Arbeiten eingeschmolzen.


Franzisca Lauber

Träumende

Installation im Stadtraum

Hunde begleiten den Menschen schon seit über 15‘000 Jahren. Sie sind im täglichen Stadt- und Landbild integriert und sind nicht mehr wegzudenken. 2014, im ehemaligen Transitstädtchen Cérbère, Grenzstadt zu Spanien an der Ostküste von Frankreich, erarbeitete Franziska Lauber 5 liegende Hunde aus aktuellen Tageszeitungen, welche mit Tapezierband zusammengehalten wurden. Sie platzierte diese im kleinen belebten Stadtzentrum und am Stadtrand. Dabei liess sich beobachteten, dass sich der urbane Raum in verschiedenen Temporalitäten dreht: Im Stadtzentrum waren die Hunde innerhalb von Stunden verschwunden. Einerseits von einem Hund in der Nacht „zerlegt“, andererseits von Bewohnern beseitigt, überfahren oder zertreten. Am Stadtrand hingegen blieben die Hunde längere Zeit am selben Ort liegen. Das Zeitungspapier wurde durch die Sonne steif und ausgebleicht. Bei Regen verformen sie sich langsam, zerfallen und lösen sich langsam auf.

Analog der Intervention in Cérbère werden in Solothurn während  des Festivals mehrere Hunde an verschiedenen Plätzen der Stadt liegen. Sie werden sich in verschiedenen Temporalitäten auflösen, sich verflüchtigen, in anderer Form auftauchen um sich wieder in den Kreislauf des Zerfalls und des Verschwindens zu begeben. Das Werden und Vergehen wird sichtbar. Die „Eintagsfliege“ Tageszeitung wird transformiert und eine bestimmte Zeit durch die Hunde in eine andere Zeitachse übergeführt. Die liegenden Hunde könnten an streunende Hunde erinnern, aber auch an solche, die einfach auf ihren Besitzer warten.


Nina Rieben

Notiz 

Text auf Wand

Die Arbeit «Notiz» besteht aus einem Textfragment, das einen Raum des Künstlerhauses S11 bespielt. Als Ausgangslage zur Imagination, wird die Arbeit während der Ausstellung permanent sichtbar sein, bevor sie anschliessend wieder überstrichen wird.

Als Denkbild erzählt der Text von einer bereits vergangenen Aktion, deren Resultat im Jetzt potentiell noch vorhanden ist. Die Aktion und ihr Resultat manifestieren sich dabei nicht physisch oder räumlich, sondern in der Assoziation und Vorstellung der Betrachtenden – solange bis der Hinweis wieder verschwindet.


Maeva Rosset

maisons des addictions

Installation, machine à bulles, savon, parfum

Pour ce projet, l’artiste propose une serre de jardin dans laquelle se trouve une machine à bulles. La machine tourne en continu jusqu‘à saturer l‘espace d’un parfum aux odeurs d‘addiction. Le spectateur est invité à entrer, la pièce permet cependant de voir de l‘extérieur. Elle a créé pour cela, avec le parfumeur Giovanni Sammarco, un parfum représentant l’addiction grâce au mélange d’ingrédients issus de la parfumerie; café, vin, tabac, musc (phéromones sexuelles), heliotropine (molécule contenue dans l‘ecstasy). Elle propose ici un espace d‘expérimentation au spectateur, une expérience d‘apparence naïve et innocente, un jeu que lui seul choisit de jouer ou non. Elle s‘intéresse particulièrement aux comportements humains, par le biais de l‘olfaction elle produit un espace où le spectateur découvre une relation complexe entre lui et sa connaissance de l‘art, une expérience transformative qui peut étendre ses notions d’expérience, d‘espace et d‘interaction.

Die Künstlerin arbeitet im Rahmen dieses Projekts mit einem Gartenhäuschen, in dem sie eine Maschine installiert, die Seifenblasen ausstösst. Die Maschine dreht sich kontinuierlich bis der Raum mit einem bestimmten Duft oder süchtig machenden Geruchstoffen gefüllt ist. Der Betrachter ist eingeladen, in das Häuschen einzutreten, kann aber durch das Glas von aussen gesehen werden. Zusammen mit dem Parfümhersteller Giovanni Sammarco hat die Künstlerin zu diesem Zweck verschiedene Aromastoffe entwickelt, die dank der Mischung ihrer Inhaltstoffe Suchtmittel repräsentieren: Kaffee, Wein, Tabak, Moschus (sexueller Lockstoff), Heliotropin (Molekuüle die auch in Ecstasy vorkommen). Die Künstlerin bietet dem Betrachter einen Raum für ein Experiment an, für eine scheinbar naive und unschuldige Erfahrung, für ein Spiel auf das er sich einlassen kann oder auch nicht. Sie interessiert sich im speziellen für die menschlichen Verhaltensweisen, und versucht über den Umweg des Geruchs einen Raum zu schaffen, in dem der Betrachter eine komplexe Beziehung entdecken kann, zwischen ihm und seinem Kunstverständnis, eine transformative Erfahrung, die seine Vorstellung von Erfahrung, Raum und Interaktion erweitern kann.


Sandra Schindler

Eintagsfliege

Installation

Les jours des éphémères – Eintagsfliege. Sekundengedanken – Es tanzen tausende Gedanken, sie schwirren und irren und landen am Ende im Nichts. Die Hartnäckigen registrieren sich und kommen weiter. Manche bleiben, andere gehen.... ist das nicht ähnlich

auf dem Kompost? Vom knackigen Apfel, bleibt der Kern, der so langsam vor sich hinrottet, und aufgefressen wird, bis er ganz verschwindet – alles ist vergänglich. 

In den bisherigen Projekten der Künstlerin wie „Bed Series“ oder „Have a break“ hat sie Objekte arrangiert, fotografiert und wichtig, anschliessend alles wieder aufgeräumt. Die Skulpturen existieren also nur auf dem Bild. Für Les jours des éphémères möchte die Künstlerin drei verschiedene Objekte aufstellen und stehen lassen. Mit vorgefundenen Materialen, in der umliegenden Nähe des Künstlerhaus oder aus dem Künstlerhaus selbst wird sie installative Objekte aufbauen/zusammenstellen. Diese können im Aussenraum oder im Innenraum platziert werden. 

Die Arbeiten von Sandra Schindler spielen sich oft am Schnittpunkt zwischen Fiktion und Dokument ab. Manche Passanten, werden die Objekte sehen, andere werden vorbei laufen. Am Ende der Ausstellung werden die verwendeten Materialen wieder zurück in ihre Heimat gebracht.


Claudia Vogel

Audio olfaciens – Ich rieche was, was Du nicht hörst

Audioinstallation

Verschiedene Kurztexte handeln von Alltagssituationen, bei denen ein Geruch eine grosse Rolle spielt. Die olfaktorische Stimulanz wird über Erinnerungen in unserem limbischen System generiert, wobei das Dufterlebnis über das Wegnehmen des eigentlichen Reizimpulses erzeugt wird. Bei Entzug jeglichen nasalen Reizes und gleichzeitiger Stimulans der olfaktorischen Erinnerungen im Gehirn wird das olfaktorische Bild individuell und stark.

Audioinstallation über Kopfhörer, Atemmaske zur Neutralisierung der Raumgerüche und verschiedene Kurztexte, gesprochen von Sören Reimers